Menschgerechter Bach

Mit wieder über 20 Teilnehmenden mussten wir aus Zeitgründen die Begrüßung sehr kurz fassen, denn unsere Planung war diesmal eng getaktet. Gemeinsam mit unserer Bundestagskandidatin Anne Kowatsch und unserer Landtagsabgordneten Swantje Sperling ging es also in für unsere Verhältnisse schnellen Schritts zu unserem ersten Stopp an der Kläranlage.

Der Buchenbach hatte aber auch an diesen Stellen einiges zu bieten. An der schmalen Brücke an den Sportplätzen überqueren wir ihn von der Bushaltestelle kommend das erste Mal. Vor einigen Jahren wurde hier ein Wehr, das immer ein Wanderungshindernis für Bachlebewesen darstellt, zugunsten einer mit großen Steinen gebildeten rauhen Rampe, die eine entsprechende Durchlässigkeit bietet, abgebaut.

Blühwiesen des Landesprojekts „Blühende Naturparke“

Wenige Meter später liegt zu unserer Rechten eine Blühwiese der Gemeinde Berglen in Zusammenarbeit mit dem Naturpark Schwäbisch-Fränkischer Wald, die durch das Programm „Blühende Naturparke“ des Landes gefördert wurde und nun schon seit einigen Jahren neben den Bienen auch das Publikum auf dem beliebten Rad- und Spazierweg zwischen den Gemeinden Winnenden und Berglen erfreut. Die Problematik diesen schmalen Grat von ökologischem Nutzen und Naherholung ausgewogen zu gestalten, wird uns auf unserem Weg bis nach Winnenden immer wieder begegnen.

Vortrag an den Klärbecken der Kläranlage von Berglen

Dennoch ein paar Minuten verspätet kamen wir an der Kläranlage an und es begrüßte uns Alexander Schick, der uns in einem interessanten Rundgang über das Gelände der Kläranlage gab. Herr Schick ist einer der Mitarbeiter der SÜWAG, die einige Kläranlagen in der Umgebung betreibt und arbeitet sehr gerne an diesem wichtigen, wasserwirtschaftlichen Knotenpunkt. Bisher ist die Kläranlage nur mit zwei Stufen ausgestattet, einer mechanischen Reinigung und einer biologischen Reinigung. Fragt man Herrn Schick, so würde er sich einen Erhalt und Ausbau der Anlage wünschen und sie auf einen entsprechenden Stand der Zeit mit weiteren Reinigungsstufen bringen, da die derzeitige Anlage bereits am Limit ihrer Kapazität ist und keine weiteren Abwässer größeren Umfangs mehr aufnehmen kann. Marcus Lenz, grüner Gemeinderat aus Leutenbach, erzählt aber, dass es auch Überlegungen gibt, die Anlage aufzulösen und Berglen an den Zweckverbund Winnenden und die dortige Kläranlage anzuschließen. Dazu gibt es noch keine Entscheidung und das Thema wird in den kommenden Jahren sicher immer wieder zur Sprache kommen, denn für beide Varianten gibt es Pro- und Contraargumente. In dem Bereich sind sechs Mitarbeiter beschäftigt, die in entsprechenden Bereitschaftsschichten rund um die Uhr in der Lage sein müssen in 20 Minuten an der Kläranlage zu sein um Schäden für Umwelt und Umgebung abzwenden, z.B. wenn ein Hochwasser droht oder ein technischer Defekt vorliegt. Auf Nachfrage der Teilnehmenden erzählt Herr Schick auch, dass die Abwassermengen durch neuere, wassersparende Geräte abgenommen haben und dies durch das Wachstum der Einwohnerzahl nicht ausgeglichen wird, so dass man die Kanäle öfter spülen muss. Problematisch sind wie überall die achtlos weggeworfenen Feuchttücher, die die Kanalisation belasten, da sie sehr schlecht abbaubar sind.

Übergang vom Wald in die Auwiesen
Fehlende Gewässerrandstreifen

Nach der Kläranlage verlassen wir das Gemeindegebiet von Berglen und unser Spaziergang wird während der dieser Etappe und dem Beginn der nächsten auf Winnender Gemarkung fortgesetzt. Der Bach ist im Verlauf bis zur Mündung des Buchenbächles vor Birkmannsweiler in einem naturnahen Zustand und im Maßnahmenplan wird daher auch von Erhalt und Ausbau der natürlichen Auwiesen gesprochen. Bei den Gewässerrandstreifen gibt es noch Nachholbedarf und das Buchenbächle fließt auf dem letzten Abschnitt bis zum Buchenbach in einem kanalähnlichen Verlauf. Das Bett des Baches soll hier ausweitet werden. Wieder eine strittige Frage für viele Teilnehmende, einen gut bewachsenenen Bach erst einmal mit Baggern zuzusetzen, damit er dann ökologisch wertvoller werde? Das gefällt nicht allen. Renaturierungen sind in den ersten Jahren meist auch nicht sehr ansehnlich. Die Natur hat viel Kraft, aber sie braucht auch Zeit sich ihre Lebensräume zurückzueroberen.

Neophyten auf der Insel im renaturierten Bereich
Reaktivierte, natürliche Bachstrukturen

Das ist auch das erste, das wir im Ortsgebiet von Birkmannsweiler gemeinsam mit Herrn Kromer, dem Leiter des städtischen Umweltamts, in Augenschein nehmen. Herr Kromer ist unserer Einladung gerne gefolgt und stieß in Birkmannsweiler zu uns um uns einen Einblick aus Sicht der Verwaltung zu geben, bei der anschließenden Begrüßungsrunde wurde der ältere Aufsatz „Eine Wanderung durch die Landschaft“ von Herrn Kromer angesprochen, der immer noch aktuell ist und viele wertvolle Informationen zum Buchenbach enthält. Besonderer Dank an dieser Stelle gebührt Elke Bajjaoui, der Organisatorin der dritten Etappe. Vor 15 Jahren wurde am Lauf des Baches eine größere Renaturierungsmaßnahme durchgeführt und ein Altarm des Buchenbachs reaktiviert. Dies war eine ökologische Ausgleichsmaßnahme, die durch den Bau der Südumgehung um Birkmannsweiler erforderlich war. An dieser renaturierten Stelle ist wie sehr häufig am Rand des Buchenbachs die Ausbreitung des Neophyten „Indisches Springkraut“ zu sehen, der heimische Arten verdrängt. Keine Folge des Klimawandels oder natürlicher Ausbreitung, sondern die Folge der Einschleppung durch den Menschen als Zierpflanze für den Garten.

Ansaugrohr und Betontreppe bis hinein in den Bach.

Aber auch andere Eingriffe, die in der Vergangenheit stillschweigend akzeptiert wurden und man sich nicht viele Gedanken über das Ökosystem Bach machte, werden zwar oft kaum noch genutzt, beeinträchtigen das System aber weiter. An einer Stelle steht hier ein Geräteschnuppen direkt an der Böschungsoberkante und daneben liegt ein vergrabener Saugschlauch, der wohl in der Vergangenheit Wasser aus dem Bach für die naheliegenden Gärten abgepumpt hat. Die betonierte Treppe reicht sogar bis in das Bachbett hinein. Unsere Gewässerränder systematisch nach solchen Beeinträchtigungen prüfen zu lassen und entsprechende Maßnahmen einzufordern, wäre ein wichtiger Schritt für den Schutz des artenreichsten Lebensraums, den wir in Europa haben.

Renaturierung nahe der Sportplätze in Birkmannsweiler

Im weiteren Verlauf sieht man immer wieder wie der Mensch den Bach in den letzten Jahrzehnten gestaltet hat, in den letzten Jahren endlich wieder so, dass der Bach die Möglichkeit hat sich auszubreiten und Kleinstlebewesen ohne Wanderungshindernisse das Ökosystem beleben können. An einer Brücke nahe des Zentrums von Birkmannsweiler wurde ein kleiner Abschnitt umgestaltet und ein Seitenarm reaktiviert. An dieser Stelle ist der Bach auch für Kinder und Erwachsene erlebbar, über die großen Steine gelangt man auf eine kleine, verwunschene Insel. Bei der Renaturierung neben der Hauptaufgabe der Natur etwas von dem zurückzugeben, das der Mensch ihr genommen hat, auch Erlebnisbereiche für den Menschn zu schaffen, die für die immense Bedeutung des Ökosystems „Gewässer“ sensibilisieren, ist eine dieser schwierigen Gratwanderungen zwischen Naturschutz und Naherholung, die in unserer sehr dicht besiedelten Region besonders wichtig sind. Leider werden Renaturierungen meistens nur durchgeführt, wenn woanders Natur vernichtet wird, der Paragraf 13b zur Ausweisung von kleineren Baugebieten entbindet die Kommunen allerdings von dieser Pflicht. Das sehen wir Grüne anders und haben uns deutlich aber leider erfolglos im Bundestag dagegen gestemmt und die Verlängerung des Paragrafen wurde im Frühjahr auf Druck der CDU beschlossen. Viele Abschnitte des Buchenbachs im Bereich Birkmannsweiler sind aber immer noch mit schweren Gittersteinen in Form gezwängt, die eine natürliche Bachenentwicklung erschweren. Begradigungen und Drainagen sind auch in den Überschwemmungsgebieten in Birkmannsweiler vorhanden . Bei der Renaturierungsmaßnahme wurden während der Bauarbeiten einige davon gefunden wie uns Herr Kromer bestätigt. Eigentlich werden diese nicht mehr benötigt, da die Äcker nicht mehr so intensiv bewirtschaftet werden – aber niemand weiß mehr, wo diese überall liegen. Drainagen entwässern ehemalige Feuchtgebiete und behindern somit auch deren Aufnahmefähigkeit für Regenwasser.

Am Rand des geplanten Landschaftparks Buchenbachaue
In der grünen Oase zwischen Hambach und Buchenbach

Besonders deutlich wird der Konflikt zwischen den unterschiedlichen Interessen beim geplanten Landschaftspark Buchenbachaue, der den letzten Abschnitt unseres Weges darstellt. Bereits bei der städtischen Bürgerbeteiligung in der Vorwoche wurde deutlich, dass es hier unterschiedliche Meinungen zur zukünftigen Nutzung gibt. Die einen möchten gerne einen neuen Bolzplatz, manche eine Grillstelle, wieder andere einen Biergarten oder eine Callisthenic-Anlage. Dann gibt es noch viele, die am liebsten alles so lassen würden wie es ist oder weiträumige Rückzugszonen für die Natur schaffen möchten. Eine Entsiegelung des ehemaligen Fischerheims ist aber allen ein Anliegen und so schlägt das Büro Kienleplan, das den Planungsauftrag erhalten hat, dort einen Naturerlebnisgarten für Schulen und Kindergärten vor. Die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger bei diesem Projekt ist ein wichtiges Thema für die Weiterentwicklung des stadtnahen Buchenbachgebiets.

Am Ende der Etappe kommen wir zu einem weiteren Konfliktpunkt zwischen Nutzung und Naturschutz, bis an den Gewässerrand liegen hier Gartenhütten und Kompostanlagen, die Pläne der Landschaftsarchitekten sehen hier einen Fußweg vor, der gleichzeitig dazu dient die ökologisch besonders wertvollen Gewässerrandzonen vor Nutzung zu schützen. Eine schwer zu vermittelnde Position für die vielen Schrebergärtner und -gärtnerinnen, die hier seit vielen Jahren ihr eigenes Obst und Gemüse anbauen. Unsere Gewässer wurden in den vergangen Jahrhunderten immer wieder gestaltet und meist zum Nachteil für Ökologie und Natur verändert. Hier einen neuen Weg zu finden, der Ökologie, Naturschutz, Hochwasserschutz aber auch Nutzung und Naherholung verbindet, ist eine schwierige Aufgabe, die man angesichts eines sich rasant verändernden Klimas aber jetzt angehen muss damit wir in Zukunft nicht mehr nur mensch- sondern auch naturgerechte, vitale Bachläufe bei uns haben.

Der Ausklang unseres Spaziergangs war im La Piazza in Winnenden, wo wir mit den Teilnehmenden wieder bis zum Sonnenuntergang in Gesprächen vertieft waren.

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