Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten

Glaskugel
Glaskugel

Haushaltsrede 2023 Fraktion Bündnis 90/Die Grünen

Mit diesem Haushalt zeigt es sich nun, dass uns die Probleme zu erdrücken drohen. Wir sind sehr froh, dass wir im letzten Jahr angefangen haben zu priorisieren. Zum Priorisieren gehört es eben auch, dass man Mut hat Entscheidungen zu treffen und sich festzulegen. Ein Verschieben auf die Zukunft erzeugt nur Frust und Hoffnung, die nicht erfüllt werden kann.
Wir stehen miteinander in unsicheren Zeiten und in einer Situation die viele Unbekannte hat. Ich nenne nur die Coronakrise, den Krieg, die Flüchtlingskrise, unsere steigende Inflation, die Energiekrise. Über allem wird uns die Klimakrise auch hier in Schwaikheim treffen.
Alle diese Krisen haben Auswirkungen auf unseren Haushalt. Und nicht genug, in dieser Situation stehen wir auf Grund unserer Infrastruktur nicht gut da und haben viele offene Baustellen. Was können wir da tun, wie priorisieren wir die Aufgaben und eben auch die begrenzten Mittel?

„Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten“

Willy Brandt, deutscher Politiker

Oder wie der Volksmund sagt:

„Wem das Wasser bis zum Hals steht, sollte den Kopf nicht hängen lassen“

Ein kluger Mensch

Wenn wir auf den Ergebnishaushalt schauen, dann werden wir diesen auch in 2023 nicht positiv abschließen können. Das Minus wird wohl rund 750.000 € betragen. Die Einnahmen sind zwar um 13,2 % gestiegen, die Aufwendungen allerdings um 25,7 %. Um hier überhaupt in eine realistischen Bereich zu kommen hat der Gemeinderat in seiner Sitzung vom 22.11.2022 beschlossen, Maßnahmen zur Entlastung durchzuführen. Die Maßnahmen wurden durch die Haushaltsstrukturkommission beraten und haben
Einzug in das vorliegende Planwerk gehalten. Dabei wurden rund eine Million gekürzt.
Echte Einsparungen waren dies für die Zukunft allerdings noch nicht.
Die Aussage des Kämmerers, auf die wir noch im letzten Jahr hofften, dass sich die Situation in 2023 bessern würde, ist leider nicht eingetreten. Wir gehen davon aus, dass wir auch in den nächsten Jahren den Ergebnishaushalt nicht ausgleichen können. Das signalisiert allerdings, dass wir über unseren Verhältnissen wirtschaften. Eine Überschuldung droht. Derzeit kann der Ergebnishaushalt noch durch Rücklagen ausgeglichen werden.

„Der Ergebnishaushalt ist eines der Kernelemente des kommunalen Rechnungswesens. Er bezieht sich jeweils auf ein Haushaltsjahr und weist das Ressourcenaufkommen und den Ressourcenverbrauch in diesem Jahr aus. Sein Saldo, also der Unterschied zwischen Erträgen und Aufwendungen, ist eine der wichtigsten Kennzahlen, die in einem kommunalen Haushaltsplan zu finden ist.
Die kommunale Ergebnisrechnung entspricht der Gewinn- und Verlustrechnung in der Privatwirtschaft. Durch diese Darstellung soll sichergestellt werden, dass jede Generation höchstens die Ressourcen verbraucht, die sie auch selbst erwirtschaftet hat. Ein wichtiger Schritt auf diesem Weg war es, den tatsächlichen Ressourcenverbrauch möglichst vollständig in den Haushaltsplänen erkennbar zu machen.“
Es ist uns zum wiederholten Male nicht gelungen, den Ressourcenverbrauch in Form der Abschreibungen in Höhe von 1.836.980 Euro vollständig zu erwirtschaften.

Mit 10.548.090 Euro stellen die Personalaufwendungen den größten Aufwandsposten dar. Die Personalaufwendungen erhöhen sich im Vergleich zum Vorjahr um rund 1,4 Mio Euro. Bereits im vorigen Haushaltsjahr kam es zu einer erheblichen Steigerung der Personalaufwendungen. Zum Vergleich: im Haushaltsjahr 2017 lagen die Personalaufwendungen bei 7.028.758,31 Euro. Insbesondere im Kinderbetreuungsbereich kommt es zu Aufwandssteigerungen. Im Investitionsprogramm sieht man nun deutlich eine Priorisierung, Gleichzeitig gilt es festzuhalten, dass es nur an einer Stelle für eine „Freiwilligkeitsleistung“ reicht. Die Planung für die Filteranlage im Freibad wird vorangebracht und soll mit Ende der Freibadsaison umgesetzt werden. Die Liste der notwendigen Maßnahmen und Renovierungen ist sehr lang. Die Investitionen für die Folgejahre stehen eigentlich schon fest. Zur Zeit und angesichts unseres Haushaltes ist eigentlich nur noch an Pflichtaufgaben zu denken. Alles Weitere ist derzeit nicht finanzierbar.

Die Verschuldung je Einwohner steigt im Laufe des Jahres 2023 von rund 500 € auf über 900 Euro. Im Planungszeitraum bis 2026 wird eine Erhöhung der Verschuldung auf über 2000 € erwartet. Hier ist zu bedenken, dass die Zins- und Tilgungsleistungen steigen werden. Diese Last vermindert dann die Möglichkeiten, die unsere nachfolgenden Generationen haben. Das ist eine Entwicklung, die wir vermeiden müssen.

Gleichzeitig stehen wir vor riesigen Herausforderungen, die einerseits global sind, andererseits uns zu ganz konkreten Handlungen zwingen:

Die beiden Journalisten Nick Reimer und Toralf Staud haben für ihr Buch „Deutschland 2050. Wie der Klimawandel unser Leben verändern wird“ mit zahlreichen Wissenschaftler*innen gesprochen, unter anderem mit denen vom Deutschen Wetterdienst. Deren Prognose: 2050 wird es in Deutschland zwischen 1,9 bis 2,3 Grad Celsius wärmer sein als 1881, egal was wir tun. Denn die CO2-Mengen, die dann das Klima bestimmen werden, sind schon längst in die Atmosphäre emittiert.
Detailliert bröseln Reimer und Staud auf, was zwei Grad Erwärmung für uns Menschen konkret bedeutet: Das Leben in Deutschland uns somit auch in Schwaikheim wird ungemütlich.
Gab es beispielsweise im Südwesten von 1971 bis 2000 im Schnitt an 30 Tagen Temperaturen von über 25 Grad Celsius, werden es Mitte des Jahrhunderts bis zu 80 Tage sein – bei Spitzenwerten von 45 Grad. In Stuttgart wird es an 70 Tagen heißer als 30 Grad Celsius sein.

Schon 2022 sind im Juli in Deutschland wohl auch aufgrund der Hitze zwölf Prozent mehr Menschen gestorben als im Mittel der Jahre 2018 bis 2021 für diesen Monat. Das geht aus einer Hochrechnung hervor, die das Statistische Bundesamt veröffentlichte.

Von daher müssen wir jetzt schon konkrete Schritte einleiten und umsetzen und das, obwohl wir fast keine freien Mittel haben. Das bedeutet für alle unsere zukünftigen Entscheidungen und Maßnahmen, dass als höchste Priorität die Klimaresilienz der Gemeinde zu betrachten ist.

Folgendes ist uns wichtig:

1. Klima-, Umwelt- und Naturschutz. Auf dem Weg zu einer klimaresilienten Gemeinde
Kompakt wohnen, Flächen sparen, Verkehr vermeiden

  • Kompakte Kommune: Brachflächen und Baulücken werden einer Nutzung zugeführt; die Potenziale einer Nachverdichtung von Quartieren werden genutzt, einschließlich freiwerdender Verkehrsflächen.
    Wenn uns dies nicht gelingt, gibt es keine weitere Bebauung. Zusätzliche Baugebiete sehen wir derzeit nicht als eine Möglichkeit, bevor uns nicht der Umbau der Infrastruktur gelungen ist.
  • Vorfahrt für Rad und öffentlichen Verkehr (ÖV): Im ersten Schritt werden an allen Hauptverkehrsstraßen fehlende Radwege ergänzt.
  • Kommune der kurzen Wege, Fußläufigkeit, bzw. Fahrraderreichbarkeit haben Vorrang. Einkaufsmöglichkeiten im Außenbereich sehen wir derzeit nicht als zielführend an.
  • Schnell nach draußen: Unser Bahnhof und das Bahnhofsareal wird aufgewertet.

2. Grünes Umfeld schaffen und bewahren und Kühlräume schaffen

  • Grünflächen einschließlich Wasserflächen stehen für Erholung, Bewahrung der biologischen Vielfalt, Kalt- und Frischluftzufuhr und Wasserrückhalt in Art und Umfang angemessen zur Verfügung. Wir erinnern an unseren Antrag „Starkregenmanagement“.
  • Kurze Wege schaffen: Der Anteil öffentlich zugänglicher Grün- und Erholungsflächen, die durch kurze Fußwege erreichbar sind, ist hoch.
  • Hohe Qualität des Umfeldes: Wohnen und Arbeiten erhält durch hochwertige Grünflächen und begrünte Plätze, Straßenräume mehr Lebensqualität.
  • Unser Freibad wird konsequent ausgebaut. Diesen „Kühlraum“ benötigen wir in der Zukunft.
  • Grün statt Beton: Grün- und Wasserflächen auf Dächern, an Fassaden und auf anderen verfügbaren Flächen wie Innenhöfen verschönern das direkte Umfeld und sorgen im Sommer für angenehme Kühle.

3. Mehr Platz für Begegnung und Miteinander

  • Die Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum ist hoch, z.B. durch zahlreiche Sitzgelegenheiten und geringe Lärm- und Schadstoffbelastung.
  • Das Angebot an Flächen für Begegnung, Erholung und Kommunikation wird ausgebaut.
  • Lebensraum statt Parkraum: Im öffentlichen Raum parken nahezu keine privaten Autos mehr. PKWs müssen in eine Tiefgarage unter die Neue Mitte II.

4. Kurze Wege – direkt zum Ziel

  • Tägliche Mobilitätsziele sind für alle auch ohne Auto erreichbar und zugänglich, idealerweise in kurzer Distanz zu Fuß oder per Fahrrad.

5. Attraktive und funktionsgemischte Gebiete schaffen

  • Versorgungseinrichtungen des täglichen Bedarfs, aber auch kulturelle Einrichtungen und gesellschaftliche Treffpunkte sind vielfältig und decken die Bedürfnisse unterschiedlicher Nutzergruppen ab.

6. Vorrang für Umweltverbund

  • Der eigene Privat-Pkw spielt eine nachgeordnete Rolle im Stadtverkehr.
  • Wege in der Stadt sind zu Fuß, mit dem Fahrrad oder dem ÖV sicher, flexibel, komfortabel, zeit- und kostensparend zu bewältigen.

7. Nutzen statt besitzen

  • Carsharing – als Elektro-Carsharing – ist ebenso wie Fahrradverleihsysteme inklusive Pedelecs flächendeckend vorhanden.

8. Tempo an urbanes Leben anpassen

  • Wir fordern: Tempo 30 auf allen Straßen im Ort.

9. Familienfreundlichkeit, Schule und Kindergärten

Im Bereich der Kinderbetreuung und Bildung müssen wir uns weiterentwickeln. Wir haben jahrelang auf Grund der geringen Personalausstattung am Rande der Betriebserlaubnis gearbeitet. Nun gilt es auch die notwendigen Einrichtungen dazu zu schaffen, auch mit unterschiedlichen Konzepten.

Damit alle Kinder gut aufwachsen können, brauchen Eltern und Familien förderliche Bedingungen.

Wie schon das alte afrikanische Sprichwort sagt:
„Um ein Kind zu erziehen braucht es ein ganzes Dorf“

Dass hier ein Schwerpunkt in unserem Haushalt liegt ist für uns eine wichtige Priorität in diesem und in den nächsten Haushalten. Das wird die Gemeinde auch noch einiges kosten, wenn ich nur an die Erweiterung der Schule, die Renovierung der Eichendorffschule und Weiteres denke.
Bei unseren Antrag auf einen Naturkindergarten lassen wir nicht locker. Im Haushalt sind für diesen Naturkindergarten entsprechende Mittel eingestellt.

10. Die Anzahl der über 60 Jährigen nimmt zu
Nach Berechnungen des Statistischen Landesamtes leben derzeit in Schwaikheim rund 25% Personen, die älter als 60 Jahre sind. 2040 werden es über 30% sein. Auch die Hochbetagten über 85 nehmen deutlich zu. Das muss Auswirkungen auf unsere Infrastruktur haben. Begrünte Fuß- und Spazierwege mit Bänken und Rollator freundlichen Belägen werden wir benötigen.

11. Bürgerbeteiligung

Mit Respekt setzen sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger zum und für das Wohl anderer Menschen und das Miteinander ein: In Politik und Ehrenamt, in Beruf und Familie leisten sie wertvolle Beiträge für ein solidarisches Miteinander.

Ihnen gilt unser Dank. Unsere Gesellschaft lebt von Engagement, Solidarität und der Achtung gegenüber den Nächsten. Mit gegenseitiger Rücksichtnahme, Mitmenschlichkeit und Weitsicht wollen wir weiterhin gemeinsam die Zukunft gestalten.

Die „Stiftung für Zukunftsfragen“ stellt fest: „Das Zeitalter des Egoismus neigt sich seinem Ende entgegen. Zunehmend mehr Bürger haben erkannt, dass die eigene Lebensqualität, der eigene Wohlstand und die Zukunft nachfolgender Generationen maßgeblich sowohl durch das eigene aber auch das Verhalten anderer beeinflusst wird. Nur gemeinsam lassen sich die Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft bewältigen.“

12. Infrastrukturmaßnahmen, Verkehr, Straßen, Kläranlage
Auch hier sehen wir einen großen Nachholbedarf. Wenn wir die Straßen und die kommunalen Gebäude sehen und unsere Ansprüche auf klimaresistente Entwicklung ernst nehmen, müssten wir eigentliche eine größere Summe im Haushalt bereitstellen. Dazu zählt auch vor allem auch die Sanierung unserer Kläranlage und Gebäude. Es kann nicht sein, dass die Temperatur im Innenraum von Sporthallen und Schulen durch geöffnete Türen und Fenster geregelt werden. Das wird die Haushalte der nächsten Jahre noch weiter belasten

    13. Wir bitten darum, sofort den geplanten Umwelt- und Klimabeirat einzusetzen.

    Zusammenfassend heißt das nun:

    Wir begrüßen die Form der Haushaltserstellung, sehen darin die Möglichkeit mehr Schwerpunkte und Steuerung unterzubringen. Mit Sorge betrachten wir unseren Ergebnishaushalt, den wir im Auge behalten müssen. Daneben kommen riesige Aufgaben auf uns zu, die wir ohne Verzug, mutig und mit Priorität angehen müssen, auch wenn vieles wünschenswerte derzeit nicht umgesetzt werden kann. Darüber hinaus sehen wir aber die Möglichkeiten, Schwaikheim lebenswerter und zukunftssicher zu gestalten.

    Wir danken unserer Bürgermeisterin Frau Dr. Loff, Herrn Kämmerer Rommel und der gesamten Verwaltung für die konstruktive Zusammenarbeit und die gewissenhafte Aufstellung des Haushalts. Wir danken auch den anderen Fraktionen dafür, dass unsere Anregungen zur Priorisierung aufgenommen wurden. Wir freuen uns auf die Umsetzung der Maßnahmen.

    Unsere Fraktion wird diesem Haushalt zustimmen.
    Für die Fraktion
    Karl-Heinz Jaworski
    Fraktionsvorsitzender

    Artikel kommentieren

    Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert. Mit der Nutzung dieses Formulars erklären Sie sich mit der Speicherung und Verarbeitung Ihrer Daten durch diese Website einverstanden. Weiteres entnehmen Sie bitte der Datenschutzerklärung.