Insekten im Wald

Langsam endet der Sommer und die ersten Herbstboten melden sich mit Regen und kaltem Wind. Über 20 Teilnehmende finden sich trotz widriger Bedingungen zu unserem vierten Waldspaziergang ein. Rechtzeitig um 14 Uhr klarte das Wetter wieder auf und es blieb bis zum Ende trocken – sogar die Sonne zeigte sich von Zeit zu Zeit. Dieses Mal hatten wir einen ganz besonderen Gast: Prof. Dr. Lars Krogmann vom Fachbereich Entomologie (Insektenkunde) an der Uni Hohenheim und dem Naturkundemuseum Stuttgart.

Lars Krogmann erklärt sein Forschungsgebiet

Unser Thema des vierten Waldspaziergangs war eines, das uns besonders wichtig ist: Insekten. Mehr als die Hälfte aller Tierarten sind Insekten, leider erleben wir derzeit einen immensen Rückgang nicht nur in der Artenvielfalt, sondern auch in ihrer Masse. Allein in den letzten 25 Jahren sind in Deutschland etwa drei Viertel aller Insekten verschwunden und auch in der Artenvielfalt sind die Verluste immens, etwa die Hälfte aller bekannten Insektenarten in Deutschland gilt als gefährdet in ihrem Bestand. Dabei kennen wir bei weitem noch nicht alle Insektenarten, die bei uns leben, erzählt uns Lars Krogmann. Das Nichtwissen um die bei uns lebenden Insektenarten erschwert aber den Naturschutz, weil wir nur das schützen können, was wir auch kennen. Außerdem können die Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Insektenarten nur dann verstanden werden, wenn wir über ein möglichst umfassendes Wissen vorkommenden Arten verfügen. Einer der wichtigen Forschungsbereiche seines Fachbereichs ist daher auch die Taxonomie, also die systematische Erfassung von Arten in einem hierarchischen System.

Lars Krogmann beim ersten Halt
Gemeiner Bläuling

Als nächstes machte uns Prof. Dr. Krogmann mit der Einteilung der Insekten in vier große Untergruppen vertraut, den sogenannten „Big Four“. Diese sind 1. Schmetterlinge, 2. Käfer, 3. Fliegen und Mücken, 4. Hautflügler, beispielsweise Bienen und Wespen. Wenn man die Gruppe der Wanzen auch noch berücksichtigen will, würden diese eine eigene Kategorie bilden und man würden dann von den „Big Five“ sprechen. Da Wanzen mitunter mit Käfern verwechselt würden, betonte Prof. Dr. Krogmann die wichtigsten Unterschiede zwischen diesen beiden Insektengruppen: Wanzen haben Saugrüssel, während Käfer über Kauwerkzeuge verfügen. Außerdem machen Wanzen keine vollständige Entwicklung vom Ei zum erwachsenen Tier durch. Die jungen Wanzen ähneln den erwachsenen Tieren und verwandeln sich nach mehreren Häutungen in diese. Käfer dagegen machen vom Ei über die Larven und die Puppe bis zu den erwachsenen Tieren eine vollständige Entwicklung durch. Daher sind sie, wie alle anderen Insekten, bei denen auch eine vollständige Entwicklung vorliegt, stärker gefährdet, da sie an verschiedenen Stellen ihrer Entwicklung bedroht sind. Prof. Dr. Krogmann riet daher zum Schutz der Insekten Wiesen, Weg und Waldränder möglichst wenig zu mähen, da die dort vorkommenden Pflanzen wichtige Futterpflanzen für die Insektenlarven sind. Auf Nachfrage erklärte Prof. Dr. Krogmann, dass beispielsweise Schleien, der Faulbaum und Pfaffenhütchen wichtige Futterpflanzen für Insektenlarven seien. Ebenso sollten tote Bäume in der Natur verbleiben, da Insekten ihre Eier dort ablegen können. Es gibt aber auch Insektenarten, die ihre Eier in Sand legen. An diesem Beispiel kann man erkennen, dass es bei Artenschutz darauf ankommt, die Landschaft in ihrer Vielfalt zu erhalten.

Insekten finden sich eigentlich überall, so waren wir noch nicht einmal vom Bahnhof Nellmersbach über die B14-Brücke gekommen als wir unseren ersten längeren Halt machten. Wie wunderschön diese kleinen Lebewesen sind, zeigte sich schon beim Betrachten einer der ersten Schmetterlinge, die uns begegneten, dem Gemeinen Bläuling. Ein kleiner Falter, dessen filigrane Schönheit man erst erkennt, wenn man genau hinsieht. Viele Insektenarten haben den Namenszusatz gemein, was daher kommt, dass diese Arten zur Zeit der Namensgebung sehr häufig waren – heute sind viele dieser Arten in ihrem Bestand bedroht, berichtet Lars Krogmann.

Horst Schlüter, Ortsvorsitzender vom NABU Winnenden, hilft bei der Bestimmung

Auch viele Aktive der lokalen NABU-Gruppe sind bei unserer Exkursion dabei und tragen mit ihrer Sachkenntnis einiges zur Bestimmung bei. Die von uns gesichteten Arten werden wie es beim NABU üblich ist, in der Plattform Naturgucker gemeldet und können dort nachgelesen werden. Wie wichtig die ehrenamtliche Mitarbeit auch für die Wissenschaft ist, bestätigt Lars Krogmann auf Nachfrage: „Auch viele meiner Kollegen nutzen die Plattform und geben dort selbst ihre Beobachtungen ein.

Blick nach Hertmannsweiler aus dem Rotenbühl

Während unseres Spaziergangs erfuhren wir immer wieder interessante Details über das Leben der Insekten: Einige Insektenarten leben parasitär. Einige Wespenarten legen ihre Eier in die Eier oder Raupen anderer Insekten, die dann als Futter für die Wespenlarven dienen. Evolutionär hat sich so die Wespentaille entwickelt: Durch den sehr beweglichen Hinterleib können die Wespen ihre Eier sehr zielgenau ablegen.

Auf dem Hohlweg ins Gebiet Rotenbühl stoßen wir auf einen besonderen Käfer, den Lederlaufkäfer, der in diesem Gebiet bisher selten gesichtet wurde. Der Lederlaufkäfer ist einer der größten Laufkäfer Mitteleuropas und kann bis zu 4 cm lang werden. Die wichtigsten Hilfswerkzeuge zur Insektenbestimmung haben Horst Schlüter und Lars Krogmann dabei. Gläser mit eingebauter Lupe, einen Kescher und viele kleine Lupen für die Teilnehmenden. Herr Schlüter ist da sehr pragmatisch und dreht einfach sein Fernglas um, was denselben Effekt wie eine Lupe hat.

Im Rotenbühl angekommen sehen wir rot markierte Absteckpfosten, die darauf hindeuten, dass hier ein entsprechend breiter, geschotterter Weg zur besseren Bewirtschaftung der Streuobstwiesen geschaffen werden soll. Dass wir diese Maßnahme im Zuge eines Flurneuordnungsverfahrens sehr, sehr kritisch sehen – insbesondere da der alte Weinbergweg erst vor kurzem als Naturdenkmal ausgewiesen wurde, erschließt sich nach der Begehung mit einer hohen Artenvielfalt, die wir dort feststellen von ganz alleine. Nicht umsonst wurde im Koalitionsvertrag eine Neugestaltung des Flurbereinigungsgesetzes zur gleichwertigen Behandlung von ökonomischen und ökologischen Erfordernissen vereinbart.

Gallen

Großes Interesse weckten bei großen und kleinen Teilnehmenden auch die verschiedenen Gallen an den Pflanzen. In einer Pflanzengalle können sich Larven von vielen verschiedenen Insekten befinden. Diese Larven haben gemeinsam, dass sie keine Beine und Füße haben. Sie müssen sich nicht bewegen können, da sie in ihrem Lebensmittel leben.

Sandiger Boden in der „Wüste“
Ohrwurm

Auf die Fortbewegung können ebenso die Larven staatenbildender Insekten verzichten, da sie gefüttert werden. Auch die Larven parasitär lebender Insekten befinden sich in ihrer Nahrung und können auf Beine verzichten.

Unsere Landtagsabgeordnete Swantje Sperling geht voran

Am Ende der Wanderung hob Prof. Dr. Krogmann noch einmal sein Hauptanliegen hervor: Es ist besonders wichtig, dass in der breiten Öffentlichkeit ein Verständnis dafür wächst, dass die Insekten zueinander in Beziehung stehen. Jedes Insekt hat seinen natürlichen Gegenspieler, das die massenhafte Vermehrung einer Art verhindert. Bei dem Versuch, eine bestimmte Insektenart zu reduzieren, wird oft versehentlich dieser Gegenspieler auch getötet, sodass sich die Art, die man eigentlich bekämpfen wollte, stärker ausbreitet. Ein Beispiel hierfür ist das Wegräumen des Laubs von Kastanienbäumen, um die Kastanienminiermotte zu bekämpfen.

Übertragen auf die Landwirtschaft bedeutet dies, dass bei jedem Schädlingsbekämpfungsmittel auch gefragt werden muss, welche Arten ungewollt mitvernichtet werden und welche Folgen dies wiederum hat. Außerdem muss uns klar werden, dass es keinen „gesunden Baum“ gibt. Jeder Baum hat Pilze, Bakterien und Viren, dies ist völlig normal. Eine Einteilung von nützlichen und schädlichen Lebewesen ist grundsätzlich nicht sinnvoll, da wir alle brauchen.

Weitere Informationen:
Forschungsbereich Entomologie an der Uni Hohenheim und im Naturkundemuseum Stuttgart
https://systematische-entomologie.uni-hohenheim.de/
https://www.naturkundemuseum-bw.de/forschung/entomologie

Beobachtungen der NABU-Aktiven während unserer Exkursion
https://naturgucker.de/?verein=nabu-winnenden&gebiet=-1530960323
https://naturgucker.de/?verein=nabu-winnenden&gebiet=2088327678
NABU Gruppe Winnenden: https://nabu-winnenden.de

Informationen zum Insektenrückgang des Bundesamts für Naturschutz
https://www.bfn.de/insektenrueckgang


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